Ich habe nun knapp drei Wochen in München verbracht. Morgen früh geht der Flieger zurück nach Lissabon. Mit nehme ich einen Stapel deutscher Bücher, ein paar typische Leckereien und das Gefühl, dass es nach vier Jahren Lisboa vielleicht an der Zeit ist, die Zelte abzubrechen und nach München zurückzukehren.
Ein Leben am Meer ist natürlich romantisch, und ja, das Wetter in Portugal ist besser als in Deutschland. Aber wenn man Familie und Freunde in Deutschland vermisst, lindert das den Schmerz nur wenig. Und wenn man am Wochenende mehrere Stunden Stau einplanen muss, um an den Strand zu kommen, lässt die Begeisterung für Sonne, Sand und Meer merklich nach.
Lissabon hat einen unvergleichlichen Charme, den ich ohne Zweifel vermissen würde. Aber gleichzeitig ist die Aussicht darauf, nicht mehr zwischen Müll und Hundehaufen hin- und herspringen zu müssen, durchaus verlockend.
Was aber besonders deutlich für eine Rückkehr nach Deutschland spricht, ist die Tatsache, dass es finanziell betrachtet ein ganz, ganz schlechtes Geschäft ist, in Lissabon zu leben. Die Mieten sind höher als in Berlin und fast so hoch wie in München - bei wesentlich niedrigeren Einkommen und dramatisch schlechterer Wohnqualität. Wer 1.000,- EURO netto nach Hause bringt, zählt in Portugal schon zu den Gutverdienenden.
Dazu kommt, dass in Lissabon inzwischen nahezu alles teurer ist als in Deutschland. Ich hatte genug Zeit, um die Preise in München -der teuersten Stadt Deutschlands- mit denen in Lissabon zu vergleichen, und ich konnte oft meinen Augen nicht trauen:
- Mein Deo kostet in meinem Supermarkt in Lissabon 2,45 EURO, in München 1,45 EURO. Ähnliche Unterschiede gibt es für alle anderen Drogerieartikel.
- Für ein halbes Pfund Champignons bezahle ich in PT 1,99 EURO, in München nur 0,99 EURO bei besserer Qualität. Viele Gemüse und Obstsorten waren in etwa gleich teuer oder ebenfalls günstiger in München bei Bio-Qualität.
- Ein Schokoriegel "Twix" kostet in Lissabon nur etwa 20 Cent weniger als ein 5er-Pack in München.
- Meine Sonnencreme in München: 7,- EURO - das identische Produkt in Lissabon: 12,- EURO.
- Abends Essen gehen: In München unwesentlich teurer oder manchmal sogar günstiger bei vielfach besserer Qualität und bisher ausnahmslos nettem und gutem Service.
- Fleisch beim Metzger oder im Supermarkt in München: Unwesentlich teurer, dafür Bio-Qualität.
- Unterhaltungselektronik (Digitalkameras, DVD Player usw.) in Lissabon? Oft doppelt so teuer wie in München.
- Sushi in einer Supermarkfrischepackung in München: 8,- EURO. Die vergleichbare Packung an der Küsten- und Fischerstadt Lissabon: 18,- EURO.
- IKEA? In Portugal viel teurer.
- Autos? In Portugal wesentlich teurer!
Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen und das leider sehr einseitig. Denn bisher konnte ich nur bei feststellen, dass Taxifahren, die Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs und die Popcorn im Kino in Lissabon billiger, wenn auch nicht unbedingt "preiswerter" waren.
Natürlich ist Geld nicht alles, aber ich stehe vor einer einfachen Frage: Wie kann es sein, dass ein Land mit niedrigen Einkommen deutlich höhere Preise für den Haushaltswarenkorb hat, als eine der reichsten Städte in einem der reichsten Länder der Welt? Die Nachfrage bestimmt den Preis, aber woher kommt die Kaufkraft, wenn kein Einkommen da ist?
Kleinkredite.
Portugal türmt seit Jahren einen privaten Schuldenberg auf, und ich möchte nicht dabei sein, wenn das Ding ins Rutschen kommt. Das kann man mir zwar egal sein, weil ich keinen Kleinkredit aufnehmen werde, aber ich bekomme trotzdem die Konsequenzen zu spüren: Hohe Preise. Dazu gesellt sich dann meist das traditionell niedrige portugiesische Einkommen und schon fragt man sich, wo denn die Lebensqualität und die Altersvorsorge geblieben sind. Als Selbstständiger fühle ich mich hier sogar "auf der sicheren Seite", normalerweise gilt das eher für Angestellte.
Außerdem habe ich ständig das Gefühl, in Portugal etwas zu verpassen, was der Rest Europas schon ins Alltagsleben integriert hat. Man kann leicht den Eindruck gewinnen, Portugal hinke anderen europäischen Ländern mindestens 10 Jahre hinterher, und das ist nicht böse gemeint. Umweltbewusstsein? Innovation? Eigene anstatt geklauter Ideen? Fehlanzeige. Insbesondere das portugiesische Berufsleben ist eine harte Prüfung für alle, die es gewohnt sind, verbindliche Antworten zu erhalten oder eigenständige Entscheidungen von Kollegen erwarten.
Der geneigte Leser merkt: Herz und Bauch orientieren sich stark in Richtung "Heimat" und das Hirn liefert einem reichlich rationelle Argumente dafür.
Mal sehen, wie es weitergeht...
Alex
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NACHTRAG:Im Portugalforum gibt es einige Antworten auf meinen Blogeintrag. Nachzulesen hier:
www.portugalforum.de2. NACHTRAG:Ein Beitrag des Deutschlandfunks zum Thema.