Samstag, August 18, 2007

Ein schlechtes Geschäft

Ich habe nun knapp drei Wochen in München verbracht. Morgen früh geht der Flieger zurück nach Lissabon. Mit nehme ich einen Stapel deutscher Bücher, ein paar typische Leckereien und das Gefühl, dass es nach vier Jahren Lisboa vielleicht an der Zeit ist, die Zelte abzubrechen und nach München zurückzukehren.

Ein Leben am Meer ist natürlich romantisch, und ja, das Wetter in Portugal ist besser als in Deutschland. Aber wenn man Familie und Freunde in Deutschland vermisst, lindert das den Schmerz nur wenig. Und wenn man am Wochenende mehrere Stunden Stau einplanen muss, um an den Strand zu kommen, lässt die Begeisterung für Sonne, Sand und Meer merklich nach.

Lissabon hat einen unvergleichlichen Charme, den ich ohne Zweifel vermissen würde. Aber gleichzeitig ist die Aussicht darauf, nicht mehr zwischen Müll und Hundehaufen hin- und herspringen zu müssen, durchaus verlockend.

Was aber besonders deutlich für eine Rückkehr nach Deutschland spricht, ist die Tatsache, dass es finanziell betrachtet ein ganz, ganz schlechtes Geschäft ist, in Lissabon zu leben. Die Mieten sind höher als in Berlin und fast so hoch wie in München - bei wesentlich niedrigeren Einkommen und dramatisch schlechterer Wohnqualität. Wer 1.000,- EURO netto nach Hause bringt, zählt in Portugal schon zu den Gutverdienenden.

Dazu kommt, dass in Lissabon inzwischen nahezu alles teurer ist als in Deutschland. Ich hatte genug Zeit, um die Preise in München -der teuersten Stadt Deutschlands- mit denen in Lissabon zu vergleichen, und ich konnte oft meinen Augen nicht trauen:

- Mein Deo kostet in meinem Supermarkt in Lissabon 2,45 EURO, in München 1,45 EURO. Ähnliche Unterschiede gibt es für alle anderen Drogerieartikel.
- Für ein halbes Pfund Champignons bezahle ich in PT 1,99 EURO, in München nur 0,99 EURO bei besserer Qualität. Viele Gemüse und Obstsorten waren in etwa gleich teuer oder ebenfalls günstiger in München bei Bio-Qualität.
- Ein Schokoriegel "Twix" kostet in Lissabon nur etwa 20 Cent weniger als ein 5er-Pack in München.
- Meine Sonnencreme in München: 7,- EURO - das identische Produkt in Lissabon: 12,- EURO.
- Abends Essen gehen: In München unwesentlich teurer oder manchmal sogar günstiger bei vielfach besserer Qualität und bisher ausnahmslos nettem und gutem Service.
- Fleisch beim Metzger oder im Supermarkt in München: Unwesentlich teurer, dafür Bio-Qualität.
- Unterhaltungselektronik (Digitalkameras, DVD Player usw.) in Lissabon? Oft doppelt so teuer wie in München.
- Sushi in einer Supermarkfrischepackung in München: 8,- EURO. Die vergleichbare Packung an der Küsten- und Fischerstadt Lissabon: 18,- EURO.
- IKEA? In Portugal viel teurer.
- Autos? In Portugal wesentlich teurer!

Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen und das leider sehr einseitig. Denn bisher konnte ich nur bei feststellen, dass Taxifahren, die Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs und die Popcorn im Kino in Lissabon billiger, wenn auch nicht unbedingt "preiswerter" waren.

Natürlich ist Geld nicht alles, aber ich stehe vor einer einfachen Frage: Wie kann es sein, dass ein Land mit niedrigen Einkommen deutlich höhere Preise für den Haushaltswarenkorb hat, als eine der reichsten Städte in einem der reichsten Länder der Welt? Die Nachfrage bestimmt den Preis, aber woher kommt die Kaufkraft, wenn kein Einkommen da ist?

Kleinkredite.

Portugal türmt seit Jahren einen privaten Schuldenberg auf, und ich möchte nicht dabei sein, wenn das Ding ins Rutschen kommt. Das kann man mir zwar egal sein, weil ich keinen Kleinkredit aufnehmen werde, aber ich bekomme trotzdem die Konsequenzen zu spüren: Hohe Preise. Dazu gesellt sich dann meist das traditionell niedrige portugiesische Einkommen und schon fragt man sich, wo denn die Lebensqualität und die Altersvorsorge geblieben sind. Als Selbstständiger fühle ich mich hier sogar "auf der sicheren Seite", normalerweise gilt das eher für Angestellte.

Außerdem habe ich ständig das Gefühl, in Portugal etwas zu verpassen, was der Rest Europas schon ins Alltagsleben integriert hat. Man kann leicht den Eindruck gewinnen, Portugal hinke anderen europäischen Ländern mindestens 10 Jahre hinterher, und das ist nicht böse gemeint. Umweltbewusstsein? Innovation? Eigene anstatt geklauter Ideen? Fehlanzeige. Insbesondere das portugiesische Berufsleben ist eine harte Prüfung für alle, die es gewohnt sind, verbindliche Antworten zu erhalten oder eigenständige Entscheidungen von Kollegen erwarten.


Der geneigte Leser merkt: Herz und Bauch orientieren sich stark in Richtung "Heimat" und das Hirn liefert einem reichlich rationelle Argumente dafür.

Mal sehen, wie es weitergeht...

Alex

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NACHTRAG:

Im Portugalforum gibt es einige Antworten auf meinen Blogeintrag. Nachzulesen hier:
www.portugalforum.de

2. NACHTRAG:

Ein Beitrag des Deutschlandfunks zum Thema.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Alex.............
Du nimmst mir das Wort aus dem Mund, die Gedanken könnten von mir sein! In Deutschland ist die Lebensqualität einfach höher und man bekommt in jeder Beziehung mehr für sein Geld! Und man fühlt sich nicht so hinter dem Mond! Mir gefallen die verschiedenen Landschaften Portugals, das Meer, aber, sorry, nicht so besonders die Mentalität der Portugiesen! Mir fehlt die nette Nachbarschaft, die Freundlichkeit (ja! in Deutschland!...wie es in den Wald ruft...hier rufe ich vergebens)! Mir fehlt meine Kultur, die Strassenfeste, Cafes, Theater, ZEITUNGEN, alles! Ich gehe mit Dir, Alexander!

Anonym hat gesagt…

Hallo Alex, sorry, dass du diesen Punkt erreicht hast. Bin selbst schon im 7. Jahr in Lissabon, allerdings wurde mir schon nach 6 Monaten bewusst, dass hier irgendwas nicht stimmt, trotzdem bleibe ich hier. Hauptsaechlich wegen dem authentischen suedamerikanischen und afrikanischen Flair, der in einer europaeischen Hauptstadt wohl einmalig sein duerfte. Allerdings musste ich fuer mich einen Kompromiss machen: Ich nehme keinen Portugiesen mehr ernst. Ist zwar bitter, aber sonst wuerde ich mich hier aufreiben. Anpassen werde ich mich nie. Das habe ich mir geschworen. Im uebrigen sehe ich gerade jetzt ideale Vorraussetzungen, um kleine Geschaefte zu machen, denn ich habe noch nie so viele "Vende-se" Schilder in Lissabons Strassen gesehen. Wenn man die finanzielle Kraft hat einen Laden zu kaufen und auszubauen, was u.U.ganicht so teuer ist, kann man locker Renditen von ueber 10% einfahren. Das bezieht sich nicht nur auf Gewerbeimmobilien, sonder auch auf Wohnobjekte. Dabei ist wichtig, dass man so wenig wie moeglich in Kontakt mit Portugiesen kommt, also keine Baufirma, kein Architekt.

Wenn man gelernt hat hier ueber Wasser zu bleiben, dann wird man nie wieder Schwierigkeiten im Leben haben, denn schlimmer gehts nicht.

Wuensche dir, hier oder in D, eine bessere Zeit.

LG

Anonym hat gesagt…

Hola und Bon Dia.

ich habe lange an der Costa Brava gelebt, Palamos, Playa d Aro, Cadaques, kleinere Orte noerdlich Barcelona.

Hier lebe ich in Nazare seit knapp drei Jahren, 110 km noerdlich Lisbon.

Stimmt leider, insbesondere, wenn man den Vergleich hat zu Catalunia.

Unter "german miracle" habe ich dem "Economist" eine Tabelle der OECD entnommen, nach der die sogenannte "unit labour cost" in Deutschland - 35 - mal niedriger ist als in Portugal. Wohlgemerkt, ich habe mir das nicht aus den Fingern gesogen, sondern es handelt sich um eine offizielle Statistik der OECD. Wenn man auf einem hiesigen Amt oder in einer hiesigen Bank ist, dann ist dies aber durchaus verstaendlich. Wie Alex schon richtig bemerkt hat, es geht auch nicht nur um Geld, ich habe nioch nie in Griechenland oder Bulgarien gelebt, dort wird es wohl nicht anders sein. Das andere Problem ist in der Tat die Mentalitaet der Leute hier.

mediocrity, narrow-mindedness, lack of taste, lack of spirit, you name it. Die Strandpromenade von San Martinho wird noch immer umgebaut. Am 15. JUNI 2006, also vor 15 Monaten, sollte der Umbau fertig sein. Noch im Juli 2007 war aufgrund der Umbauarbeiten die Strandstrasse wochenlang gesperrt. Das "Design" dieses Umbaus ist zudem ebenso geschmacklos wie funktionsfeindlich. An die Promenaden grosser spanischer Seebaeder erinnert nichts, man bleibt weiter bei 100 cm. breiten Buergersteigen, dabei waere Platz fuer grosszuegige Planungen vorhanden. Es sind wenige Loecher fuer Palmen vorgesehen, keine wurde bislang gepflanzt, alles wurde durchbetoniert. Wie kann man nur eine graue Betonmauer vor den Strand bauen? Diese konzeptionslosen Planungen koennen nur Idioten ersinnen. Die Kleinbuergerlichkeit, die Kleinkariertheit, die einen ueberall anglotzt, scheint fest in die genetische Struktur der hiesigen Bevoelkerung verankert und sie manifestiert sich anschaulich in den kleinen Pflastersteinen, aus denen die doerflichen Buergersteige bestehen.

Die Strasse, die von San Martinho nach Nazare fuehrt, sie ist links gesaeumt von Schrotthalden, Maschendrahtzaeunen, vergammelnden Booten und Baracken, es sieht aus wie in einem Straflager in Guayana.

Die in San Martinho links der Promenade liegende Strassenseite ist verstellt mit Dutzenden von Holzverschlaegen, die "Urbanisation" erinnert an die Industrieviertel im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg. Die Touristen sind daher (mit Ausnahme einiger Suedwestfranzosen) fast nur Portugiesen. Internationale Badeorte sehen anders aus als Nazare oder San Martinho. Die Natur hier jedoch boete dafuer die besten Voraussetzungen.

"Schlangestehen" bei jeder Gelegenheit. In den Aemtern eine Organisation wie in Africa. Dutzende herumstehender, palavernder Staatsdiener, alle scheinen umstaendlich und schwerfaellig. Die Regelungen im Hinblick auf Immobilien sind ebenso buerokratisch wie sie scheinheilig sind. Die Leute leben hier wie in einem Museum. Dasmeistgebrauchte Wort in den Auslagen "mas barato", sehr billig. Ja. In den Strandklitschen wird neben Plastiktand aus China und etwas rohen, altmodisch wirkenden traditionellen Handarbeiten grausiger Herz-Jesu Devotionalienkitsch in rosa und hellblau angeboten, in den rueckwaertigen Gassen riecht es nach Abwasser.

Faehrt man von Portugal an die Costa Brava oder auch in das von Lisboa etwa 450 Kilometer entfernte Sevilla, so kommt man aus einem Bauernland in ein sonniges Tal der Kultur und des guten Geschmacks. Portugal ist eine katholische DDR unter Palmen. Portugal wird NIEMALS einen Aufschwung erleben wie Spanien. Aus exakt den gleichen Gruenden uebrigens, aus denen auch Mecklenburg Vorpommern keinen solchen Aufschwung erleben wird. Es sind die Menschen, stupid. Darf ich daran erinnern, dass KENIA im Jahre 1950 einen doppelt so hohen Lebensstandard hatte wie Sued-Korea ?! Schaut Euch um bei der OECD. Kann man nachlesen. Und heute?! Also. Lieber Alex. Ich dachte immer, dass mir ein so bitterer Kommentar uebel genommen wuerde, von allen, Deutschen Portugiesen und Englaendern. Da Du den Stein angestossen hast, kicke ich ihn aber bei dieser Gelegenheit voll zurueck uebrn Platz. Ich lasse mir auch mein Urteilsvermoegen nicht streitig machen, ausserdem kenne ich mehr Laender als die meisten anderen Leute und eine Exotenbonus (einen grossen allerdings) gebe ich hoechstens einem Wahnsinnsland wie Indien, wo andere Kriterien gelten.

Ich gruesse Dich, leider moechte ich lieber anonym bleiben, aber ich wuerde mich gern auch ersoenlich mit "expatriates" treffen. Ciao.

Anonym hat gesagt…

Ich unterschreibe das alles, was hier gesagt wurde. Ich war drei jahre in Portugal, habe wunderschön gewohnt und viel Geld verdient, keinen portugiesischen Lohn natürlich, und habe das Land lieben gelernt, aber nicht die Leute. Auf jedem Amt wurde ich herablassend, arrogant und zögerlich "bedient", trotz meiner Mühe, mich anzupassen und nett und freundlich zu sein waren die Leute misstrauisch und neidisch, ich habe gesehen, wie sie mit ihren Tieren umgehen und wie alte Leute leben müssen, wenn sie kein Geld haben, ich habe mich bei Einkäufen rumgeärgert mit schlechter Qualität........nein danke. Nur noch als Tourist in dieses traumhaft schöne Portugal, und kein persönlicher Kontakt mehr!